Die Risiken von #adoptdontshop: Tierschutzhund vs. Züchterhund

Heute wird’s mal etwas persönlicher. Ich möchte niemanden umstimmen. Ich möchte keine Diskussion lostreten, ob Tierschutzhund oder Züchterhund besser ist. Ich möchte niemanden verurteilen.

Was ich möchte? Wachrütteln. Informieren. Aufklären. Und vor allem die Verfechter von #adoptdontshop anregen, ihre rosarote Brille mal kurz abzunehmen.

Überblick

Tierschutzhund oder Züchter? Ein Glaubenskrieg

Es scheint ja fast wie eine eigene Religion zu sein. Tierschutzhund oder Hund vom Züchter? Selten hat die eine Seite Verständnis für die andere. Ein Glaubenskrieg entfacht. Seit #adoptdontshop die Social Media Welt erobert hat, traut man sich kaum noch zugeben, dass man lieber einen Hund vom Züchter haben möchte. Wer etwas auf sich hält und Tiere wirklich liebt, holt sich einen Hund aus dem Tierschutz. So der allgemeine Tenor. Es gäbe genug “arme Hunde”, man müsse diese nicht auch noch produzieren.

Wer sich aber nicht damit beschäftigt, dass ein Tierschutzhund in seinem Koffer keine T-Shirts und Unterhosen gepackt hat, dafür negative Erlebnisse, mangelnde Sozialisierung, Gewalterfahrungen, traumatische Erlebnisse und eventuell auch den Umzug ins neue Land verarbeiten muss, der wird hart am Boden des Tierschutzes aufschlagen. Und sich im Nachhinein wünschen, doch einen Züchterhund genommen zu haben. Oder sich zumindest besser auf die Eingewöhnung seines Tierschutzhundes vorbereitet zu haben.

Tierschutz endet eben mal nicht mit der Übernahme einer armen Seele. Offen gesagt beginnt Tierschutz hier erst richtig. Denn einem Tierschutzhund nicht nur ein Dach über dem Kopf zu geben, sondern ihn in sein neues Leben zu begleiten, ihm dabei zu helfen, nicht nur anzukommen, sondern auch aufzublühen – ja das ist ein ganzes Stück Arbeit. Wenn man es ernst meint. Und den Hund nicht beim ersten Fehlverhalten retour schickt oder in einer Hau-Drauf-Hundeschule landet, damit der Hund mal so richtig erzogen wird. Beides weit entfernt von Tierschutz.

Tierschutzhund mit gepacktem Koffer

Die Schattenseiten der Direktadoption von Tierschutzhunden

Die Flut, mit der uns Tierschutzhunde überollen, ist schon längst nicht mehr aufzuhalten. Viele Tierschutzhunde werden heute schlichtweg „geshoppt“. Foto, Video, Steckbrief – und schon ist die Entscheidung gefallen. Optik genauso wie vorgestellt, der Text rührt zu Tränen, der Verein verspricht „ganz brav“. Und zack, sitzt der Hund im Transporter.
Die Übergabe bzw. das erste Kennenlernen findet dann zumeist irgendwo am Weg, der Autobahnrastation o.ä. statt. Dein neuer Hund hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine Tortur in den Knochen und kommt in einer völlig anderen Umwelt wieder zu sich. Kulturschock inklusive.

Du hast keine Ahnung, ob der Hund gesund ist (ja, natürlich erzählen sie dir, dass er gesund ist), du weißt nicht, ob er dich mag, genauso wenig weißt du, ob du ihn magst, du weißt nicht, ob er in dein Leben passt bzw. deinen Alltag meistern kann – aber hey, egal, du hast etwas Gutes getan. Nämlich einen Hund adoptiert. #adoptdontshop

Und oft beginnt mit dem Tag der Übergabe meist dein eigenes Leben in eine völlig andere Richtung zu laufen, als geplant. Der angeblich “ruhige und brave Hund” ist in Wahrheit schwer traumatisiert durch seine Erlebnisse im Shelter, der Tötungsstation, den Ausreiseuntersuchungen und dem tagelangen Transport. Kommt er dann in einen Alltag, wo er sofort funktionieren oder sich einfügen muss, ist meist Schicht im Schacht.

Dann melden sich verzweifelte Hundemenschen bei mir, weil ihr Hund doch so anders ist als beschrieben und sie die Welt nicht mehr verstehen. Weil er sich vielleicht gar nicht aus dem Haus traut, manche verlassen ihre ausgewählte Ecke erst gar nicht, manche haben panische Angst vor ihrem Menschen und wiederum andere kommen gar nicht zur Ruhe und zerlegen die Wohnung, Bellen die Nachbarschaft zusammen, wenn sie alleine bleiben müssen, reagieren stark aggressiv auf Männer, zwicken die Kinder in die Fesseln oder laufen permanent im Kreis.

Der Hund ist nicht einfach nur dankbar, dass er sein altes, bekanntes Zuhause verlassen durfte. Er ist nicht dankbar, dass er von nun an in seinem Leben völlig eingeschränkt wird, an der Leine gehen muss, ein Halsband um bekommt, dass ihm die Kehle zugeschnürt, plötzlich Autofahren muss, eng an anderen Hunden vorbeilaufen oder gar noch mit ihnen spielen soll, alleine bleiben darf in einer für ihn völlig unbekannten Umgebung, mit fremden Geräuschen und Gerüchen klarkommen muss. Er ist nicht dankbar, dass er auch noch eine Hundeschule besuchen muss, ins Kaffeehaus und auf Urlaub mitgeschleppt wird und natürlich jede Art von Besuch toll finden soll.

Die Sache mit der Dankbarkeit. Ein Märchen, an das viele glauben wollen.

Häufige Probleme von Tierschutzhunden: 5 Beispiele aus der Praxis

Wie belastet ein Tierschutzhund von seinem vorigen Leben ist, kann dir niemand sagen. Niemand. Und wenn du darauf nicht vorbereitet bist, wenn du rein aus Tierliebe oder Mitleid einem Tierschutzhund ein Körbchen geschenkt hast, wirst du möglicherweise böse Überraschungen erleben. Und dann leidet nicht nur der Hund, sondern auch du und dein gesamtes Umfeld. Denn so hat man sich das nicht vorgestellt.

Beispiele gefällig?

Röschen, 1 Jahr: Direktadoption aus der Tötung. Vermittelt in die Großstadt. Ist in dem städtischen Umfeld völlig überreizt. Schmeißt sich bei Überforderung auf den Boden und schnappt um sich. Erschreckt sich vor allem, sogar einem Grashalm. Traut sich nun gar nicht mehr aus dem Haus. Ein Hund, der so viel Angst hat in seinem neuen Leben, dass er darüber gar vergisst, dankbar zu sein.

Alice, 4 Jahre: Direktimport aus einer Puppy-Farm. Panischer Angsthund. Wollte nur weg. Sich verstecken. Die überforderten Hundeeltern? Landen bei einem aversiven Hundetrainer. Die Folge: Aus der panischen Angsthündin wurde ein Hund, der nun Menschen und Hunde attackiert. Weil er nicht mehr kann. Weil ihn aversives Training kaputt gemacht hat. Die Menschen? Müssen nochmal von vorne beginnen. Völliger Reset. Nochmal Zeit und Geld investieren, damit die Hündin endlich angstfrei leben kann.

Benny, 4 Jahre: Sein ganzes Leben im Zwinger verbracht. Direktimport aus dem Ausland. Ein ängstlicher, unsicherer Hund. Packt nach 6 Monaten sein Köfferchen vollständig aus und zeigt, dass er mit der neuen Welt so überhaupt nicht klar kommt. Dass ihm alles zu viel ist. Und seine Menschen? Sind sehr bemüht und versuchen, alles richtig zu machen. Investieren viel Zeit und auch Geld. Aber sie sind nach ½ Jahr am Ende ihrer Kräfte. Verzweifelt. Mutlos. So schwierig hatten sie sich das nicht vorgestellt.

Rocky, 7 Jahre: Groß geworden im Shelter. Direktimport mit 4 Jahren. Seine Verletzungen lassen darauf schließen, dass er schwer misshandelt wurde. Lässt sich nicht anfassen, wird starr, sobald sich die Hand nähert. Beim Anblick einer Leine legt er sich hin und bewegt sich keinen Zentimeter mehr. Das ist kein braves Verhalten oder Kooperation, das ist Ohnmacht – und zeigt die enorme psychische Belastung dieses Hundes. Bißchen Kekse in den Hund stopfen und ihn mit positiver Verstärkung an die Leine gewöhnen? Fehlanzeige. Hier benötigt es zwingend eine Stabilisierung des Nervensystems. Erlernen von Alltagsfähigkeiten ist in diesem Zustand noch gar nicht möglich.

Hanna, 15 Monate: Direktimport. Gefunden auf der Straße mit 4 Wochen – ohne Mutter. Danach 1 Jahr Shelter. Liegt seit Monaten nur in einer Ecke vom Bett und bewegt sich nicht. Starke Tageshemmung. Pippi ist nur nachts möglich. Essen? Schwierig. Der vorhandene Zweithund ist völlig verunsichert von diesem Verhalten und reagiert angst-aggressiv. Die Menschen? Hilflos und überfordert.

All diese Beispiele stehen stellvertretend für die diversen Mitleidspostings auf Facebook & Co: “Wenn er bis morgen nicht rausgeholt wird, muss er sterben.”, “Wartet schon so lange auf ein Zuhause”, “Hat so viel Liebe in sich und möchte die endlich jemandem schenken”, etc.

Tierheime im Inland sind überfüllt, weil Menschen vorschnell und unüberlegt einen Tierschutzhund aus dem Ausland adoptiert haben, diesen aber bei erstem “Fehlverhalten” oder eigener Überforderung retour schicken. Doch wohin geht der Direktimport?

Definitiv nicht mehr in sein Ursprungsland, der bleibt im Inland. Bekommt vielleicht den Stempel “unvermittelbar” und hockt dann nochmal einige Jahre, manche auch Zeit ihres Lebens, in einem Zwinger. Unverstanden. Nervlich am Ende. Tierschutz?

Tierschutzhund im Zwinger

Tierschutzhund adoptieren – die verschiedenen Möglichkeiten

Möchtest du einem Tierschutzhund ein neues Zuhause geben, gibt es abseits von Direktadoptionen noch andere Möglichkeiten, die das Risiko an Überraschungen etwas reduzieren.

Hund aus dem Tierheim oder Tierschutzverein im Inland

Du kannst in ein Tierheim in deiner Nähe gehen oder du kannst online stöbern, ob ein für dich passender Hund dabei ist. Der Vorteil: Du kannst den Hund persönlich kennenlernen. Auch eine längere Kennenlernphase mit mehreren Spaziergängen sollte ermöglicht werden, manchmal ist sogar ein „Probewohnen“ möglich (drängt das Tierheim zur Entscheidung, lass‘ besser die Finger davon).

Auch Auslandshunde, die per Direktimport hier gelandet sind, findest du im Inlandstierschutz. Spezielle Vereine holen Hunde aus überfüllten Sheltern oder direkt von der Straße und vermitteln sie aus dem Inland in ein neues Zuhause.

In heimischen Tierheimen finden sich auch Second-Hand-Hunde. Also Hunde, die bereits in einer Familie gelebt haben und abgegeben wurden oder durch Tod oder Krankheit ihre Bezugsperson verloren haben. Auch jene, die beschlagnahmt wurden oder aus tierschutzwidrigen Verhältnissen gerettet wurden. Je nach Vorgeschichte können sie Unsicherheiten, Verhaltensprobleme oder Traumata mitbringen.

Wichtig: Nicht jeder Verein arbeitet seriös. Bei schlechten Organisationen fehlen Gesundheitsstatus, Vorkontrollen, Nachbetreuung oder eine transparente Einschätzung des Verhalten des Hundes (Dankbarkeit ist kein Verhaltensmerkmal!). Manche Adoptionsverträge schließen sogar eine Rückgabe aus oder knüpfen sie an zusätzliche Zahlungen. Sei also auch hier aufmerksam und vermeide überstürzte Entscheidungen.

Direktadoption aus dem Auslandstierschutz

Bei einer Direktadoption kommt der Hund direkt aus einem ausländischen Shelter oder einer Tötungsstation ins neue Zuhause. Über Verhalten, emotionale Stabilität und mögliche Traumata weiß man meist nichts – das Risiko von Überraschungen ist hoch.

Viele dieser Hunde wachsen von klein auf reizarm im Shelter auf. Das bedeutet Deprivation: Mangel an Umweltreizen, sozialen Beziehungen und Problemlösefähigkeiten. Ihr Nervensystem ist nicht darauf vorbereitet, mit Herausforderungen umzugehen. Diese Hunde sind daher besonders schnell überfordert und benötigen deutlich mehr Unterstützung, damit sie in ihrem neuen Alltag klarkommen.

Zusätzlich belasten die Ausreise-Strapazen: Einfangen, tierärztliche Untersuchungen, Impfungen und tagelanger Transport im engen Käfig. Manche Hunde werden kurz vor der Abreise noch kastriert – eine zusätzliche Belastung.

Wie sich all diese Strapazen auf das Verhalten des Hundes auswirken, zeigt sich meist erst nach einiger Zeit. Schwer belastete Hunde reagieren mit Passivität, starkem Angstverhalten, Ohnmacht oder erhöhtem Aggressionsverhalten aufgrund der Überforderung.

Hund von einer Pflegestelle im In- oder Ausland übernehmen

Manche Hunde ziehen zunächst bei einer privaten Familie ein. Man sieht, wie sich der Hund im Haus, mit anderen Tieren oder draußen verhält. Ist die Pflegestelle in deiner Nähe, kannst du den Hund besuchen und in Ruhe kennenlernen. Auch hier gibt es Unterschiede: Kleine Pflegestellen mit wenigen Hunden können individueller fördern, während große Pflegestellen mit vielen Tieren weniger Aufmerksamkeit auf dem einzelnen Hund haben.

Die Strapazen des Transports sind dieselben wie bei einer Direktadoption. Ob der Hund tatsächlich stabiler ist, hängt stark von seinem Vorleben, seiner emotionalen Verfassung und der Integration in den Pflegealltag ab.

Der Nachteil an vorübergehenden Pflegestellen: Der Hund verliert in kurzer Zeit zweimal sein gewohntes Umfeld (Umzug vom Shelter auf die Pflegestelle, danach Umzug in sein neues Zuhause). Das kann später zu Problemen beim Alleinebleiben führen, sich in erhöhter Stressbelastung oder anderen Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Kann, nicht muss.

Du hast die Wahl
Je besser du einen Hund vor der Adoption kennenlernen kannst, desto geringer ist das Risiko von Überraschungen. Wenn du seine Vorgeschichte zumindest teilweise kennst, ihn mehrfach siehst und erlebst, wie er sich in unterschiedlichen Situationen verhält, bekommst du ein besseres Bild. Garantie gibt es natürlich nie, ein Tierschutzhund ist kein unbeschriebenes Blatt.

Die größten Herausforderungen, mit denen ich in meinem Alltag konfrontiert werde, entstehen durch Direktadoptionen. Hunde, die ohne Kennenlernen und häufig auch ohne Bewusstsein dafür übernommen werden, wie sich Entwicklungsdefizite wie Deprivation auf Verhalten auswirken. Genau darin liegt das größte Risiko: Du entscheidest dich für einen Hund, den du nie persönlich erlebt hast und dessen innere Belastungen oft erst viel später sichtbar werden.

Mehr zum Thema Tierschutzhund adoptieren findest in meinem Artikel „Tierschutzhund adoptieren“

Tierschutzhund vs. Züchterhund

Züchter – seriös oder nur Geschäftemacher?

Natürlich ist man auch bei einem Züchterhund nicht vor Problemen gefeit. Denn einen seriösen und vor allem guten Züchter zu finden, gleicht heutzutage der Nadel im Heuhaufen. Und nur weil du € 2.000 aufwärts für einen Welpen bezahlst, garantiert das leider noch keinen gesunden und psychisch stabilen Hund.

In der heutigen Zeit geht es (leider) vorrangig ums Geld. Auch bei unseren Tieren. Deshalb sind Hinterhofzuchten, Puppy Farms und diverse Hobbyzüchter im In- und Ausland nicht die Ausnahme, sondern leider die Regel. “Lass uns mal schnell Züchter werden und Geld verdienen”- Mentalität bringt nur eines: Gefüllte Kassen, aber sicher keine gut sozialisierten Welpen.

Die Folgen können ähnlich sein wie vorhin beschrieben. Denn Deprivation ist auch durch Zwingerhaltung, reine Wohnungshaltung oder Aufwachsen in einem sehr, sehr abgeschiedenen Umfeld möglich. Oft werden die Welpen viel zu früh von der Mutter getrennt. Gesundheitsvorsorge, Sozialisierung und Transparenz – Fehlanzeige.

Für einen Züchterhund benötigt es eben mehr als nur 2 paarungsbereite Hunde. Züchter sein ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Einfach einen Welpenauslauf hinstellen und hoffen, dass sich die kleinen Racker in den nächsten 8 Wochen von selbst entwickeln, ist zu wenig. Und garantiert keine 4-stellige Summe wert.

Züchter ist nicht gleich Züchter, genauso wie Tierschutzhund nicht gleich Tierschutzhund ist.

Ein seriöser Züchter möchte wissen, in welche Hände er seinen Welpen gibt. Er möchte wissen, wie dein Leben aussieht, warum du dich für seine Rasse entschieden hast, was du mit dem Hund vorhast, in welcher Familienkonstellation du lebst, ob du die finanziellen Mittel für etwaiges Training oder medizinische Versorgung aufbringen kannst, ob du ein gesundes Verständnis von Umgang mit einem Lebewesen hast etc.

Ein seriöser Züchter legt Wert auf Gesundheit, Wesen und artgerechte Aufzucht. Die Elterntiere sind untersucht, leben im Familienverband, und die Welpen wachsen gut sozialisiert auf – mit Kontakt zu Menschen, Alltagsgeräuschen und Umweltreizen. Es gibt einen detaillierten Vertrag, Gesundheitsnachweise und Nachbetreuung. Und immer die Option, dass der Züchter den Hund zurücknimmt, sollte in deinem Leben etwas Unvorhergesehenes passieren und eine Hundehaltung nicht mehr möglich sein.

Die Wahrheit über Dankbarkeit und nachhaltigen Tierschutz

Ich habe in meinen Coachings Menschen und deren Hunde mit alle Varianten an Herausforderungen. An jedem dieser Probleme lässt sich arbeiten. Aber nur dann, wenn der Mensch interessiert ist, dazuzulernen. Und wenn die persönlichen und emotionalen Ressourcen sowie die finanziellen Möglichkeiten da sind. Denn so ein “Training” geht über viele Monate.

Es ist eine sehr schöne Aufgabe, einen Tierschutzhund ins Leben zu begleiten. Allerdings sollte man in etwa darauf vorbereitet sein, was auf einen zukommen kann – vor allem bei Direktadoptionen. Denn es ist (zumindest zeitweise) anstrengend und auch überfordernd. Jedenfalls in der ersten Zeit, wo sich die Baustellen zeigen und du als Mensch gefordert bist, hinzusehen, zu unterstützen und zu lernen. Und auch eigene Bedürfnisse vorerst hinten anzustellen.

Auch meine Zeit mit Happy war nicht immer nur schön. Die ersten 2 Jahre waren heftig. Ein Höllenritt. Was sich nach und nach in dieser verwundeten Hundeseele zeigte, hat mich sehr oft an meine Grenzen gebracht. Es gab Momente der Hoffnungslosigkeit. Momente der Verzweiflung. Aber auch Momente, die mich haben wachsen lassen. Als Mensch. Und als Trainer. Rückblickend habe ich unfassbar viel von ihm gelernt. Aber nur, weil ich mich darauf eingelassen habe. Weil ich den starken Willen und die Möglichkeiten hatte, mir all das Wissen anzueignen, das es dazu braucht. Und weil es mir möglich war, meinen Alltag so auf ihn abzustimmen, dass er ihn gut schaffen konnte.

Wer jetzt immer noch sagt, er möchte einem Tierschutzhund aus dem Ausland eine 2. Chance geben, der soll das tun. Doch mit allem rechnen, was ich hier ungeschönt erzählt habe. Auf alles vorbereitet sein. Die persönlichen und finanziellen Ressourcen haben, wenn der ausgesuchte Hund doch mehr Unterstützung braucht, als angenommen. Bereit sein, in modernes Wissen zu investieren. Dazuzulernen. Und nicht einfach nur darauf zu hoffen bzw. anzunehmen, der Hund ist einfach nur dankbar.

Denn was bringt uns #adoptdonshop, wenn wir mit diesen Hunden nicht zurechtkommen? Wenn wir sie nicht verstehen? Keine Ahnung haben, woher die starken Verhaltensweisen kommen? Wenn diese dann bei Hau-Drauf-Trainern landen, bei Problemhunde-Gurus oder in einem Resozialisierungsprogramm, wo sie emotional gebrochen werden, damit sie sich in unsere Gesellschaft einfügen? Ist es das, was wir mit unserem Engagement für den Tierschutz erreichen wollten? Wohl kaum.

Und jene Menschen, die sagen “Nein, das ist mir zu viel Risiko!”, die Sorge haben, sie werden der Aufgabe nicht gerecht. Jene, die die persönlichen und finanziellen Ressourcen nicht investieren wollen oder können, die mögen sich doch bitte auf die Suche nach einem guten (!) Züchter begeben. Und diesen fair und angemessen für eine gute Aufzucht und Sozialisierung bezahlen.

Also lasst uns #adoptdontshop überdenken und nicht schwarz/weiß sehen. Weder Züchter noch Tierschutz sind automatisch die bessere Wahl. Entscheidend ist, was zu dir, deinem Alltag und deinen Möglichkeiten passt. Triff deine Wahl bewusst und hilf deinem Hund dabei, in seinem neuen Zuhause nicht nur ankommen, sondern wirklich aufzublühen.

Genau dabei unterstützt dich mein Online-Kurs „Leise Helden“

Häufige Fragen zur Adoption eines Tierschutzhundes

Das größte Risiko ist, dass du den Hund nicht kennenlernen kannst, bevor er bei dir einzieht. Viele Hunde aus dem Ausland sind durch Trauma, Deprivation und Transportstress stark belastet. Diese inneren Belastungen zeigen sich oft erst Wochen oder Monate später in Form von Angst, Rückzug oder Aggression.

Deprivation beschreibt den Mangel an wichtigen Umweltreizen, Sozialkontakten und Lernmöglichkeiten in der frühen Entwicklungsphase – z. B. bei Aufwachsen im Shelter. Das Nervensystem dieser Hunde ist nicht auf den komplexen Alltag in einer Familie vorbereitet. Das führt häufig zu Überforderung, Angst oder auffälligem Verhalten. In meinem Artikel „Deprivation bei Tierschutzhunden“ erfährst du mehr darüber. 

Nein. Dankbarkeit ist ein menschliches Konzept. Ein Hund empfindet in erster Linie Stress, wenn er alles Vertraute verliert. Selbst ein “schlechtes” Umfeld ist ihm vertraut gewesen. Der Transport, die neue Umgebung und die vielen Reize führen oft zu Überforderung. Hier lohnt es sich, den Alltag, die Stressoren und die psychische Stabilität des Hundes zu überprüfen.

Trauma lässt sich nicht an einzelnen Verhaltensweisen festmachen. Viele Anzeichen – wie Rückzug, Angst, Erstarren oder Aggression – können auch Ausdruck von Überforderung oder mangelnder Sicherheit sein. Um zu verstehen, ob tatsächlich ein Trauma vorliegt, muss man die Vorgeschichte, die Erfahrungen und das aktuelle Lebensumfeld des Hundes betrachten. Erst durch eine fachlich fundierte Verhaltensanalyse wird sichtbar, was der Hund erlebt hat – und was er braucht, um sich stabilisieren zu können.

Wichtig ist: Keine vorschnellen Diagnosen oder Schubladen. Jeder Hund hat seine eigene Geschichte, die verstanden werden will.

Mehr zum Thema findest du in meinem Artikel „Trauma beim Hund“

Der Slogan übt oft moralischen Druck aus und verführt zu unüberlegten Direktadoptionen. Viele wollen “etwas Gutes tun”, ohne zu wissen, welche emotionalen und praktischen Herausforderungen ein möglicherweise traumatisierter Hund mitbringt. Das führt häufig zu Überforderung und Rückgabe – was weder Mensch noch Hund hilft.

Wenn du keine ausreichenden zeitlichen, emotionalen oder finanziellen Ressourcen hast, um einen möglicherweise traumatisierten Hund monatelang zu begleiten. Ein seriöser, gut arbeitender Züchter legt Wert auf stabile Welpen, gute Sozialisierung und gesunde Elterntiere. Das kann in manchen Fällen der verantwortungsvollere Weg sein.

Sei vorsichtig, wenn ein Verein zu schnellen Entscheidungen drängt, kaum Einblicke in den Hund erlaubt oder eine Rückgabe ausschließt. Fehlende Gesundheitsnachweise, keine Nachbetreuung und vage Aussagen wie “ist ganz brav” sind rote Flaggen. Ein seriöser Verein informiert transparent und stellt das Wohl des Hundes an erste Stelle.

Daniela Loibl, Hundeverhaltensberaterin, mit Tierschutzhund Happy

Daniela Loibl - Hundeverhaltensberaterin

Ich begleite Hunde, die mit den Anforderungen des neuen Lebens überfordert sind - und Menschen, die verstehen wollen, warum.
Mein Hund Happy, ein ehemaliger Kettenhund mit komplexer PTBS, hat mir gezeigt, was fundiertes Wissen, Geduld und ein tieferes Verständnis für Verhalten bewirken können, wenn Training allein nicht reicht.
Mein Ansatz basiert auf verhaltensbiologischen und neuropsychologischen Erkenntnissen - modern, bindungsorientiert und 100 % gewaltfrei.

Ankommen ist das eine - aber Aufblühen sollte unser Ziel sein.

Ein Tierschutzhund braucht mehr als ein neues Zuhause. Er braucht Verständnis, Sicherheit und jemanden, der ihn auf seinem Weg begleitet.

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