Der Hibbelhund: Hyperaktive Hunde verstehen & unterstützen
„Mein Hund ist immer auf 180!“, „Er kann keine Sekunde still sitzen!“, „Er dreht bei jedem Reiz komplett durch!“, „Der ist hyperaktiv!“ – diese Sätze klingen für viele Hundeeltern nur allzu vertraut. Doch was verbirgt sich wirklich hinter diesem Verhalten?
Ein hyperaktiver Hund ist weit mehr als nur ein quirliger oder temperamentvoller Vierbeiner. Diese Hunde zeigen in vielen Situationen eine übermäßige und schwer kontrollierbare Aufregung. Sie sind außergewöhnlich reizoffen und reaktiv, wirken wie auf Speed und finden nur schwer zur Ruhe. Oftmals begleitet von übermässigem Bellen und aufmerksamkeitsforderndem Verhalten.
Die Ursachen für die Hyperaktivität sind vielfältig – sie reichen von genetischen Veranlagungen über ungünstige Erfahrungen in der Prägephase, dauerhaftem Stress im Alltag bis hin zu Schmerzen und (unentdeckten) Krankheiten. Oftmals ist es eine Kombination aus mehreren Faktoren.
Ein hyperaktiver Hund ist also kein unerzogener Hund. Er ist ein Hund, der bisher nicht die Möglichkeit hatte zu lernen, wie er mit seiner Aufregung umgehen und seine Erregung selbstständig regulieren kann. Genau hier setzt ein modernes, bedürfnis- und bindungsorientiertes Hundetraining an.
Denn Halter eines Hibbelhundes sind gefordert: Gefordert, genau hinzusehen. Zu hinterfragen, zu reflektieren und den Alltag zu überdenken. Und nicht einfach das Etikett „Hibbelhund“ an den Hund zu kleben: „Der is halt so!“. Denn das nimmt den Blick auf Verhalten und stempelt den Hund einfach ab.
Dabei ist der Hund kein Problem, er hat ein Problem. Und dabei müssen wir ihm helfen. Denn Stress macht krank.
Was versteht man unter einem hyperaktiven Hund?
Ursachen für die Hyperaktivität beim Hund
- Genetische Veranlagung (Hunde, die zu einem bestimmten Zweck gezüchtet wurden und das im Alltag nicht ausleben können – zB Jagen, Hüten)
- Welpenzeit ohne Geschwister oder Handaufzucht: Die Frustrationstoleranz wird mit Eltern und den Geschwistern gelernt. Fehlen diese Erfahrungen, ist der Hund nicht in der Lage, anderes Verhalten zu zeigen.
- Welpen, die im Alltag zu früh überfordert wurden, weil sie ja „sozialisiert werden müssen“.
- Blöde Lernerfahrungen und Überforderung in schlecht geführten Welpen- bzw. Junghundegruppen
- Tierschutzhunde, die in ihrem neuen Leben überfordert sind oder werden
- Deprivation (Reizmangel im Heranwachsen)
- aversive Trainingsmethoden, die Verhalten unterdrücken und bestrafen und aus dem Hund ein nervliches Wrack machen
- Schmerzen und Krankheit
Was braucht ein hyperaktiver Hund?
Was einem Hibbelhund definitiv schadet, sind Bestrafungen und aversive Trainingsmethoden. Gut, das schadet jedem Hund. Aber Schreien, Leinenruck oder gar Gewalt verschlimmern die Situation nur. Ein hyperaktiver Hund kann in seiner Aufregung oft nicht rational denken und handeln – das heißt nicht, dass er stur ist. Er kann das gewünschte Verhalten einfach nicht zeigen. Durch den von dir ausgeübten Druck bekommt er noch mehr Stress und reagiert noch aufgeregter.
Bedürfnisbefriedigung ist der Schlüssel zum Erfolg
Exkurs: Hat mein Hund ADHS?

Daniela Loibl
Hundeverhaltensberaterin & verhaltensmedizinische Tierpsychologin. Und Mama von Happy, einem ehem. Kettenhund aus dem Tierschutz mit komplexer PTBS und Deprivationssyndrom. Mein größter Lehrmeister und Entschleuniger.
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