Positives Training funktioniert bei meinem Hund nicht

Es gibt Aufklärungsbedarf über Training auf Basis positiver Verstärkung, eben „Das mit den Keksen“. Unter Hundehaltern genauso wie unter Trainern. Aber nur für jene, die dem positiven Weg etwas abgewinnen können. Wer weiterhin von Strafe überzeugt ist, den werde ich nicht umstimmen können. Leider ist das, was ich nachfolgend beschreibe, Wasser in den Mühlen jener, die uns “Wattebällchenwerfer” durch den Kakao ziehen. Und meinen, bei einem gewissen Verhalten braucht der Hund eben “die harte Hand.” Dass dem nicht so ist, möchte ich hier festhalten.

Überblick

Positives Training: Gut gemeint ist nicht gut gemacht

Hundemenschen, die den positiven Weg einschlagen wollen, wird es oftmals wirklich schwer gemacht. Denn viele Trainer, die behaupten, auf Basis positiver Verstärkung zu arbeiten, verstehen leider ihr Handwerk nicht. Klar funktioniert das Training dann nicht!

Aber da kann das positive Training nix dafür, die Kekse auch nicht, der Hund schon gar nicht und auch der Hundemensch nicht – denn der verlässt sich auf die Anleitung eines Trainers. Und wenn die Anleitung Kacke ist, kommt am Ende halt auch nur Kacke raus.

Die Hundeschulen-Falle: Wenn "positiv" falsch trainiert wird

Folgende Situation wurde mir vor Kurzem erzählt: 4-jähriger Rüde, groß und ungestüm, springt beim Anblick eines Artgenossen wie wild in die Leine, bellt sich die Seele aus dem Leib, zerrt hin und bringt Frauli damit fast zu Fall.

Keine angenehme Situation, wenn Hund dem Frauli dabei fast die Hand ausreißt und nicht mehr zu halten ist. Und auch keine angenehme Situation für den Hund. Denn dieser ist offensichtlich mit der Situation überfordert und teilt das lautstark mit.

Auf Nachfrage ist dieses Verhalten bereits im Zuge der Pubertät entstanden (Konfetti im Kopf, wegen Umbau geschlossen, Umwelt zu aufregend) und bis dato nicht besser geworden.

Man landete zuerst bei einer Trainerin, die von sich behauptet, auf Basis positiver Verstärkung zu arbeiten.

Das angeblich positive Training der Leinenaggression sah dann so aus: Hund bekommt einen Keks, sobald er ruhig ist.

Hä? Wie bitte? Nur zum Verständnis: Hund sieht anderen Hund, stemmt sich in die Leine, beginnt lauthals zu bellen, zieht wie irre nach vorne, Frauli hält dagegen und wenn der Hund dann nach einer gefühlten Ewigkeit das Bellen einstellt, bekommt er einen Keks?

Liebe Leute (und Trainer), das versteht ihr unter positivem Training??? 

  • Hat der Hund nun eine Bewältigungsstrategie für die nächste Hundebegegnung? – Nein!
  • Hat der Mensch den Hund in dieser Ausnahmesituation unterstützt? – Nein!
  • Wird das Verhalten „in die Leine stemmen und lautstark bellen“ aufhören? – Sicher nicht!
  • Lernt der Hund so, dass er Artgenossen entspannt und ruhig gegenübertreten kann? – Leider nein!
  • Hat sich der Hund bei diesem Training wohlgefühlt? -Leider nein!
  • Ist Frauli nun entspannter, wenn ein fremder Hund auftaucht? – Ganz sicher nicht!


Fakt ist, dass dieses Training bei dem Hund genau nix geholfen hat, das Verhalten wurde sogar schlimmer.

Hier hat sich die Trainerin leider keine Gedanken über Ursache, passende Verstärker, Erregungslevel, Co-Regulation und Bewältigungsstrategie gemacht. Es wurde einfach nur abgewartet, bis der Hund endlich aufgehört hat zu bellen.

Und dieser Trainerin ist es gar nicht erst aufgefallen, was sie für einen Mist trainiert und unter „positivem Training“ verkauft.

Strafe und der Trugschluss der "harten Hand"

Die Konsequenz der Hundemenschen ist nun: Das mit den Keksen funktioniert bei meinem Hund nicht! Deshalb sind diese Menschen jetzt in den Fängen eines aversiv arbeitenden Trainers gelandet und werfen ihrem Hund nun bei Auftauchen eines Artgenossen die Wasserflasche hinterher.

Was übrigens auch nur mäßigen Erfolg bringt. Warum?

Weil die Hundemenschen die Regeln, die notwendig sind, damit Strafe Wirkung zeigt, nicht kennen und einhalten:

  • Strafe muss immer erfolgen
  • Strafe muss sofort erfolgen, damit es mit dem unerwünschten Verhalten in Verbindung gebracht wird und
  • Strafe muss in der Intensität ausgeführt werden, die das Verhalten zuverlässig unterbricht.


Also auch hier wieder – Lernen mit Strafe funktioniert (leider), aber nur, wenn man sie richtig anwendet. Hat allerdings massive psychische Nebenwirkungen und zerstört die Bindung zu deinem Hund.

Daniela Loibl & Happy üben lockere Leine

Positive Verstärkung funktioniert immer – nur nicht bei allen Trainern

Mir tut das wirklich in der Seele weh, wenn Hundemenschen den fairen und gewaltfreien Weg einschlagen, aber sehr schnell merken, dass es absolut nicht funktioniert. Und sich dann enttäuscht, aber immer noch Hilfe suchend auf die andere Seite der Lerntheorie begeben, nämlich dem Lernen mit Strafe. Die Conclusio ist leider nicht „Der Trainer ist schlecht“, sondern „Das mit den Leckerli funktioniert nicht“.

Lernen auf Basis positiver Verstärkung funktioniert – bei jedem Säugetier. Auch bei den ganz großen gefährlichen Tieren im Zoo. Genauso, wie Lernen auf Basis von Strafe funktioniert. Beides allerdings nur, wenn es richtig angewandt wird. Denn hinter beiden Lerntheorien stehen Lerngesetze, die eingehalten werden müssen. Und diese gelten für jedes Lebewesen.

Aber es macht eine großen Unterschied, ob ich Verhalten mittels positiver Verstärkung aufbaue, z.B. bei einem Welpen oder Junghund, der noch keine negativen Verhaltensmuster zeigt. Oder ob ich an Problemverhalten trainiere.

Dann braucht es aus Trainersicht etwas mehr Know-How als einfach einen Leckerlibeutel und einen Clicker. Hier muss man sich zwingend Gedanken über die zugrundeliegende Motivation machen und nicht einfach ein unerwünschtes Verhalten “wegtrainieren” – mit oder ohne Kekse, beides nicht zielführend und für den Hund keine Lösung!

Das ist einer der Gründe, warum ich es eigentlich gar nicht (mehr) mag, als „positive arbeitender Trainer“ bezeichnet zu werden. Warum? Weil das in meinen Augen zu wenig ist, für das, was ich mache. Es geht um Bedürfnisse, die nicht erfüllt sind und daher in unerwünschten Verhaltensweisen zum Ausdruck kommen. Es geht darum, dem Hund Selbstregulation beizubringen, ihm Bewältigungsstrategien für alle Alltagssituationen zu lernen, um am Ende des Tages einen Hund zu haben, der gelassen an Artgenossen vorbeigehen kann oder mit ihnen Kontakt aufnehmen kann, je nach Bedürfnis. Und dafür braucht es Hundemenschen, die das erkennen und ihren Hund bestmöglich unterstützen.

Gelassenheit in allen Alltagssituationen – das ist das Zauberwort! Und das erreicht man weder durch Strafe, noch durch Kekse, die planlos in den Hund gestopft werden. Dazu braucht es viel mehr an Trainingswissen, Empathie und Geduld!

Häufige Fragen zu Positivem Hundetraining

Ja. Lernen über positive Verstärkung funktioniert bei jedem Säugetier – auch bei Hunden mit Angst oder schwieriger Vergangenheit. Wenn es „nicht funktioniert“, liegt das meist am falschen Trainingsaufbau, fehlendem Management oder daran, dass der Hund emotional gar nicht in der Lage ist zu lernen. Training ist kein 0815-Rezept – es braucht Wissen, Timing und einen Plan, der zu deinem Hund passt.

Weil dein Hund gerade zu überfordert, gestresst oder unsicher ist – oder weil der Trainingsweg nicht zu seiner Persönlichkeit, seinem Bedürfnislevel oder seinen Emotionen passt. Hunde können nur lernen, wenn sie sich halbwegs sicher fühlen. Ohne Stabilisierung, passende Umgebung und verständliche Schritt-für-Schritt-Anleitung funktioniert kein Training.

Dann steht zuerst Stabilisierung an – nicht Training. Routine, Vorhersehbarkeit, Entlastung und Sicherheit müssen gegeben sein, bevor Lernprozesse möglich sind. Positive Verstärkung funktioniert auch bei traumatisierten Hunden, aber erst, wenn der Hund überhaupt aufnahmefähig ist. Alles andere wäre wie Lernen im Feueralarm.

Nein. Positives Training bedeutet nicht planlos Leckerli verteilen. Es bedeutet, Verhalten so aufzubauen, dass der Hund es überhaupt zeigen kann. Bei Problemverhalten braucht es Know-How, Analyse, passende Verstärker, Management und Bewältigungsstrategien – nicht Härte. Hunde reagieren nicht aggressiv, weil ihnen Grenzen fehlen, sondern weil sie überfordert sind.

Du kannst im Alltag viel vorbereiten: Management, Routinen, Stress runterfahren. Aber sobald Emotionen, Angst oder festgefahrene Muster im Spiel sind, brauchst du jemanden, der erkennt, warum dein Hund so reagiert – und wie sein Nervensystem entlastet wird. Das ist die Basis dafür, dass positives Training funktionieren kann.

Daniela Loibl, Hundeverhaltensberaterin, mit Tierschutzhund Happy

Daniela Loibl - Hundeverhaltensberaterin

Ich begleite Hunde, die mit den Anforderungen des neuen Lebens überfordert sind - und Menschen, die verstehen wollen, warum.
Mein Hund Happy, ein ehemaliger Kettenhund mit komplexer PTBS, hat mir gezeigt, was fundiertes Wissen, Geduld und ein tieferes Verständnis für Verhalten bewirken können, wenn Training allein nicht reicht.
Mein Ansatz basiert auf verhaltensbiologischen und neuropsychologischen Erkenntnissen - modern, bindungsorientiert und 100 % gewaltfrei.

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