Positives Training macht Hunde aggressiv!
Vielleicht hast du es in den Medien gelesen: „Positives Training macht Hunde aggressiv!“ Diese Behauptung sorgt gerade für viel Verunsicherung – doch was steckt wirklich dahinter? Ist gewaltfreies Hundetraining tatsächlich gefährlich?
Was wirklich hinter der Behauptung steckt
Lass uns einen Blick darauf werfen, wie Strafe, Belohnung und bedürfnisorientiertes Training wirklich wirken:
Hundetraining auf Basis von Strafe
Alle Maßnahmen basieren auf der Rudelführer-, Dominanz- oder Triebtheorie und werden mit Begriffen wie Alphawolf, Leittier, Rangordnung oder Raumverwaltung begründet. Diese veralteten Konzepte stammen aus den 1970er Jahren, sind längst widerlegt und dennoch weit verbreitet – unter Trainern (ja, richtig gelesen!) genauso wie unter Hundemenschen. Bei unerwünschtem Verhalten wird der Hund davon abgehalten, es zu zeigen – mal freundlich, mal weniger. Auch Anschreien, Leinenruck, Blocken oder dauerhaftes Ignorieren gehören dazu. Strafe führt beim Hund zu den Emotionen Frust und Angst und beschädigt die Bindung.
Hundetraining auf Basis von positiver Verstärkung
Dieser Ansatz fokussiert sich darauf, erwünschtes Verhalten gezielt zu verstärken (belohnen), sodass es in Zukunft häufiger gezeigt wird. Das erfordert ein Umdenken: Wir reagieren nicht erst, wenn der Hund unerwünschtes Verhalten zeigt, sondern arbeiten vorausschauend und setzen Management ein. Wir verzichten bewusst auf Strafen sowie auf Angst- und Schreckreize. Diese Methode ist wissenschaftlich erforscht, tierschutzkonform und funktioniert bei allen (!) Säugetieren – auch bei problematischem Verhalten und selbst „den ganz argen Hunden“. Der Hund empfindet bei diesem Training vorrangig die Emotion Freude.
Bedürfnisorientiertes Hundetraining auf Basis positiver Verstärkung
Während positive Verstärkung Verhalten gezielt formt, geht bedürfnisorientiertes Training einen Schritt weiter: Es betrachtet nicht nur, was der Hund tut, sondern warum er es tut – und wie wir ihn dabei unterstützen können, langfristig in Balance zu sein. Wir sehen den Hund als Individuum mit eigenen Emotionen und Bedürfnissen und legen den Fokus auf eine vertrauensvolle Mensch-Hund-Beziehung. Dieser ganzheitliche Ansatz berücksichtigt auch die Gesundheit und das Wohlbefinden des Hundes.
Hier noch einmal im Vergleich:
| Methode | Kernprinzip | Auslöser (Emotion) | Ergebnis langfristig |
|---|---|---|---|
| Strafbasiert | Verhalten unterdrücken | Frust, Angst, Schreckreize | Stress, geschädigte Bindung, Aggressionsförderung |
| Positive Verstärkung | Erwünschtes Verhalten belohnen | Freude, Motivation | Nachhaltiges Lernen, Wohlfühlen |
| Bedürfnisorientiert | Ursachen verstehen, Balance schaffen | Vertrauen, Sicherheit | Stressresistenz, Balance |
„Aber Training mit Strafe funktioniert doch?“
Ja, jede Methode kann funktionieren – wenn sie korrekt angewendet wird. Doch die entscheidende Frage ist nicht nur, ob etwas funktioniert, sondern welche Auswirkungen es auf den Hund hat.
Der aktuelle Mythos, dass Positives Training Hunde aggressiv macht, ist wissenschaftlich nicht haltbar. Studien zeigen immer wieder, dass Hunde, die durch Belohnung und bedürfnisorientiertes Training lernen, stressresistenter, sicherer und sozial kompetenter sind. Aggression entsteht nicht durch faires und freundliches Training, sondern meist durch Stress, Druck, Frustration und Gewalt.
Gerade bei Problemverhalten reicht es nicht, unerwünschtes Verhalten einfach zu korrigieren – wir müssen die Ursachen verstehen und die Bedürfnisse des Hundes erfüllen. Ein Hund, der sich sicher fühlt, muss nicht aggressiv reagieren. Genau das erreichen wir mit bedürfnisorientiertem Training auf Basis positiver Verstärkung.
Auch für Tierschutzhunde mit Sozialisierungsmängeln oder traumatischen Erfahrungen ist dieser Ansatz nachhaltiger als reines Verhaltenstraining. Viele von ihnen haben leere Bedürfnisgläser, die wir erst füllen müssen, bevor sie entspannt lernen können.
So sieht bedürfnisorientiertes Training im Alltag aus
Lass‘ uns die Theorie gleich in die Praxis umsetzen. Es ist nicht so schwer, wie es sich liest – es ist wie eine neue Fremdsprache und erfordert etwas Übung:
Dein Hund liegt auf der Couch.
❌ „Der will der Chef sein!“
✅ „Der mag es genauso bequem wie du.“
💡 Hunde liegen gerne in der Nähe von uns Menschen. Beim Kontaktliegen oder Kuscheln wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet – es senkt den Stresslevel deines Hundes. Körperkontakt und Kontakt zur Bezugsperson ist ein Grundbedürfnis.
Dein Hund verfolgt dich auf Schritt und Tritt.
❌ „Dein Hund kontrolliert dich!“
✅ „Dein Hund hat Angst, dass du ihn alleine zurücklässt.“
💡 Du solltest deinen Hund keinesfalls ignorieren oder das Hinterherlaufen unterbinden. Dein Hund braucht Sicherheit – Ignorieren verschlimmert das Problem. „Sich sicher fühlen“ ist ein Grundbedürfnis.
Dein Hund hört nicht auf den Rückruf.
❌ „Der hat keine Bindung zu dir!“
✅ „Der Hund hat noch nie ein Rückruftraining unter steigender Ablenkung genossen und kann daher das gewünschte Verhalten nicht zeigen.“
💡 Die individuelle Hundepersönlichkeit muss berücksichtigt werden. Ein Vizsla hat ein anderes Bedürfnis nach Freilauf als ein Golden Retriever. Freie Bewegung zählt zu den Grundbedürfnissen. Bei einem Hund, der draußen extrem gestresst oder mit der Umwelt überfordert ist und deswegen „nicht hört“, müssen jedoch vorrangig andere Bedürfnisse erfüllt werden.
Na, schwirrt dir der Kopf? Ich hoffe, dieser kleine Leitfaden hilft dir, die Aussagen von Trainern, Freunden oder Social Media besser beurteilen zu können. Und vor allem: deinen eigenen Weg mit deinem Hund zu finden.
Häufige Fragen zu Aggressionsverhalten
Was ist der wahre Grund dafür, dass mein Hund aggressiv reagiert?
Macht faires Training Hunde nicht weich oder verwöhnt?
Nein. Faires Training (Positive Verstärkung) stärkt das Selbstvertrauen und die Stressresistenz des Hundes. Angst und Strafe machen Hunde still – aber nicht sicher.
Gibt es Hunde (z. B. Herdenschutzhunde), die eine "harte Hand" brauchen?
Nein. Lernen funktioniert bei allen Säugetieren gleich. Diese Hunde benötigen vorhersehbare Strukturen und maximale Verlässlichkeit ihrer Bezugsperson, nicht Zwang. Das verschafft ihnen die nötige Sicherheit. Druck und Dominanz verschlimmern bei eigenständigen Rassen oft das Problem.
Ist Strafe nicht der schnellere Weg, um Aggression zu stoppen?
Strafe unterdrückt das Verhalten nur, sie stoppt es nicht nachhaltig und löst die Angst nicht auf. Der Hund wird nur stiller, aber innerlich gestresster. Dies führt oft dazu, dass die Aggression später heftiger zurückkommt. Gewalt erzeugt Gegengewalt, so einfach (und unfair) ist das.

Daniela Loibl - Hundeverhaltensberaterin
Ich begleite Hunde, die mit den Anforderungen des neuen Lebens überfordert sind - und Menschen, die verstehen wollen, warum. Mein Hund Happy, ein ehemaliger Kettenhund mit komplexer PTBS, hat mir gezeigt, was fundiertes Wissen, Geduld und ein tieferes Verständnis für Verhalten bewirken können, wenn Training allein nicht reicht. Mein Ansatz basiert auf verhaltensbiologischen und neuropsychologischen Erkenntnissen - modern, bindungsorientiert und 100 % gewaltfrei.
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Ich bin Happy
Happy war viele Jahre Kettenhund und Langzeitsitzer im Tierheim. Als er in mein Leben kam, hat er alles auf den Kopf gestellt – auch mein Verständnis von Hundetraining. Aus ihm wurde mein größter Lehrmeister für Trauma, Angst und Deprivation.
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